Der Kapitalismus im Geiste der Soziologie

Im weiteren Verlauf dieses Artikels werden Sie erfahren, dass wir alle in gewisser Weise Kapitalisten sind. Ob wir wollen oder nicht.

Anti-Kapitalismus gibt es nicht. Man kann nur ein schlechter Kapitalist sein.

Kapitalismus bezeichnet zum einen eine bestimmte Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung,
zum anderen eine Epoche der Wirtschaftsgeschichte. Allgemein versteht man unter Kapitalismus eine
Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung, die auf dem Privateigentum an Produktionsmitteln und der Steuerung von Produktion und Konsum durch den Markt beruht.0

Und mit dem Stichwort Markt kommt die Soziologie ins Spiel. Jeder von uns ist Herr über mehr oder weniger Kapital. Kapital ist aber nicht nur Geld. Neben dem Geld als ökonomischem Kapital
gibt es weitere Kapitalsorten, mit denen die Menschen in ihrem Alltag zu tun haben.1


1.) Ökonomisches Kapital: Produktionsmittel, Grund und Boden, Geld, Aktien und Schmuck.

2.) Kulturelles Kapital: Bildung, Titel.

3.) Soziales Kapital: Beziehungen, die auf Kennen und Anerkennen beruhen.

4) Symbolisches Kapital: Prestige und Ansehen. (Auctoritas.)
(Spielt gegenüber den anderen Kapitalarten eine übergeordnete Rolle).

5.) Ästhetisches Kapital: Wie man aussieht.

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Diese Liste ließe sich fast endlos fortsetzen. Wichtig für das Verständnis ist, dass jeder von uns an einem Spieltisch sitzt. Jeder von uns hat Chips. Jeder von uns hat viele verschiedene Chips.
Je nach Markt haben wir die entsprechende Währung. Die entsprechenden Beträge.
Chips können ineinander getauscht werden. Manchmal leichter, manchmal schwerer. Man hat zB. Geld und kann entsprechende Bildungseinrichtungen besuchen. Mit dem erworbenen kulturellen
Kapital können sie auf dem Arbeitsmarkt ökonomisches Kapital zurückerwerben. Auf dem Heiratsmarkt
ist wiederum alles gefragt, vor allem wohl das ästhetische Kapital. Darüber hinaus besteht kein Zweifel,
dass es so etwas wie Antikapitalismus gar nicht in Gesellschaften gibt. Jeder ist Kapitalist,
jeder ist Kapitalbildner, egal mit welcher Art von Kapital wir es gerade tun.2 3

Was hilft das nun in der Praxis. Nun zum Beispiel im Bereich der Armutsforschung. Denn Armut ist eben
nicht nur ein Mangel an Geld, sondern eben auch ein Mangel in allen anderen Bereichen. Wenn man
also in Bildung für die Armen investiert, hat man gute Chancen, dass sich dadurch auch die wirtschaftlichen Bedingungen für alle verbessern. Es gibt also sehr wahrscheinlich immer auch eine
Umwegrentabilität.

Ein Leben außerhalb der Märkte gibt es nicht.

Nietzsche: Wo die Einsamkeit aufhört. Dort beginnt der manchmal giftige Markt.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es etwas wie den Antikapitalismus, zumindest rein technisch, nicht geben kann. Es gibt guten/schlechten/performanten Kapitalismus. Aber nicht sein Gegenteil.
Und bitte überprüfen Sie alles, was ich ihnen erzähle, und behalten sie stets nur das gute.
Für mich macht es nämlich den Eindruck, dass die Ultra-Kapitalisten, den hier geschilderten Sachverhalt als Tatsache wahrnehmen. Und entsprechend handeln. Somit kann ein hochperformanter Kapitalist, eine für sich vorteilhaftere Umwelt schaffen. Indem er im großen Stil den Leuten erzählt, wie schlimm Kapitalismus nicht sei, und man da unbedingt etwas dagegen tun müsste. Lassen Sie sich nicht in die Falle locken. So bitter das im ersten Moment auch schmecken mag.

Meine Verehrung, und noch einen guten Tag ihnen.

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0 Ich verwende hier die Definition, wie sie bei Wikipedia zu finden ist. Ob es einem gefällt oder nicht, Wikipedia hat mittlerweile einen normativen Charakter, der auf die Begriffe selbst zurückwirkt.

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Bild: Pierre Bourdieu
Pierre Bourdieu

2 Der dreckige Marxist wirft mir spätestens hier Vulgärökonomie vor. Ich sage nichts; außer, dass ich die leistungsfähigere Theorie habe.

3 Anmerkung: Der Kapitalismus ist immer schon da. Er dringt nicht in die Lebensbereiche ein. Er war immer schon da. Was voranschreitet, ist Rationalisierung4, Bürokratisierung5 und Kartellierung6. Das ist unser Problem mit dem Kapitalismus; nicht der Kapitalismus selbst ist das Problem.
Die Ursache, warum das, was wir Kapitalismus nennen, oder besser seine Folgeerscheinungen, von ihrem Muster her überall und natürlich auch auf den Märkten besonders auffällig präsent sind, scheint an einigen Spielmechanismen zu liegen, die man unbedingt braucht, um das Universum einerseits stabil andererseits entwicklungsfähig, wandelbar und dynamisch zu machen.

4 Die Verwendung des Wortes „Rationalisierung“ (ist nicht Rationalität) habe ich hier von Max Weber übernommen. Max Weber selbst hatte zwar noch nicht den Begriff des (sozialen) Systems, wie wir ihn heute haben.(Siehe: Luhmann et al.) Aber er meinte damit, dass das System (Wirtschaft, Unternehmen, Organisation) von einem ungeordneten Zustand in einen geordneten Zustand übergeht. Diese Ordnung führt zu mehr Effizienz, Berechenbarkeit, Verlässlichkeit und Zuverlässigkeit. Aus den zeitlich später einzuordnenden Schriften von Max Weber ist zu entnehmen. Dass er das Bewegungsgesetz der Rationalisierung in ganz vielen Systemen, an denen Menschen und Gesellschaft beteiligt sind, entdeckt zu haben glaubt. Etwas, das man heute immer weniger zu leugnen imstande ist.

5 Bürokratisierung: Auch dieser Begriff geht auf Max Weber zurück. Allerdings meine ich hier Bürokratisierung im heutigen Sinne. Bürokratisierung hat negative und positive Seiten. Einerseits liefert die Bürokratie eine Art Ablaufplan für alle möglichen Vorgänge, von denen man sonst keine Ahnung hätte. Sie stellt aber auch in hohem Maße sicher, dass jeder gleich behandelt wird. Auf der negativen Seite reduziert sie unter Umständen die Effizienz, Innovation und den Handlungsspielraum. Und sie dient als Hilfsmechanismus zur Verfestigung unerwünschter Rationalisierung und Kartellierung.

6 Kartellierung ist eigentlich kein Webersches Vokabular. Aufgrund sehr schlechter Erfahrungen mit Kartellen ist man heute ausgesprochen vorsichtig und kritisch-ablehnend gegenüber Kartellen. Das geht so weit, dass offiziell bestätigte Kartelle zur Auflösung gezwungen werden können. Ein Beispiel und Sonderfall des Kartells, ist das (Wirtschafts-) Monopol. In unserer Gegenwart (morgen und gestern war und wird es anders sein) gibt es eine Daumen mal Pi Faustregel. Und zwar, dass man es hinnehmen muss; Unternehmen für in etwa 10 Jahre eine Monopolstellung einnehmen zu lassen. Innovative Produkte und disruptive Technologien werden nun einmal von einem Pionier entwickelt und als Erstes auf dem Produktmarkt platziert. Bis Wettbewerber, also andere Unternehmen, technologisch aufgeholt haben und kompetitive Konkurrenzprodukte auf den Markt bringen können. Dauert es eben das eine oder andere Jahr.

-Themenende

Bilderwitz zur EU Bürokratie